Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat unter Berücksichtigung der gemeinsamen Stellungnahme von Squire Patton Boggs, FFPV und Latham für die Deutsche Wohnen SE zu grundsätzlichen Fragen der Bußgeldhaftung von Unternehmen nach der DSGVO entschieden.
In dem auch unter dem Stichwort „Datenfriedhof“ bekannten Fall ging es um ein erhebliches Bußgeld in Höhe von 14,5 Millionen Euro, das der Berliner Datenschutzbeauftragte 2019 gegen die Deutsche Wohnen wegen angeblicher Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung verhängt hatte. Das Landgericht Berlin stellte das Verfahren im Februar 2021 ein, weil die deutsche Behörde die deutschen Vorschriften für die Beurteilung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit eines Unternehmens nicht eingehalten hatte. Nachdem die Staatsanwaltschaft Berlin sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts Berlin eingelegt hatte, beschloss das Kammergericht im Dezember 2021, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung von Artikel 83 DSGVO in Bezug auf nationale Verfahren zur Beurteilung der Haftung eines Unternehmens für Datenschutzverletzungen vorzulegen.
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs entschied zu den Vorlagefragen, dass die einzelnen Personen, deren Handlungen diejenigen des Unternehmens ausmachen, zwar nicht individualisiert werden müssen, eine Geldbuße von den Datenschutzbehörden aber nur dann verhängt werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche vorsätzlich oder fahrlässig einen Verstoß begangen hat. Der EuGH tritt damit deutlich der von einigen Datenschutzbehörden vertretenen Auffassung entgegen, dass eine verschuldensunabhängige Haftung für Verstöße gegen die DSGVO besteht. Der EuGH befand: Keines der in Artikel 83 DSGVO aufgeführten Kriterien deutet auf die Möglichkeit hin, den für die Verarbeitung Verantwortlichen verschuldensunabhängig haftbar zu machen. Daraus folgt, dass nur Verstöße gegen die Bestimmungen der DSGVO, die von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, begangen werden, zur Verhängung einer Geldbuße gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen führen können, auch wenn es sich bei dem Verantwortlichen um den Rechtsträger eines Unternehmens handelt.
Die Deutsche Wohnen wurde vor dem Europäischen Gerichtshof von den Partnern Dr. Kai Mertens (Berlin) und Oliver Geiss (Brüssel), Nikolai Venn von Freyschmidt Frings Pananis Venn und Tim Wybitul von Latham Watkins vertreten.
Die Deutsche Wohnen ist Teil der Vonovia-Gruppe, einer der führenden börsennotierten Immobiliengesellschaften in Deutschland und Europa, deren Geschäftstätigkeit sich auf die Verwaltung und Entwicklung von Wohnimmobilien konzentriert.
"Der Fall wirft wichtige Fragen zur Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung auf", sagte Kai Mertens. "Wir freuen uns, dass der Europäische Gerichtshof nun klargestellt hat, dass nur ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen die DSGVO zu einem Bußgeld führen kann."